Anne Frank - BKA Gutachten Tagebuch Manipulation DER SPIEGEL 1980

Anne Frank - BKA Gutachten Tagebuch Manipulation DER SPIEGEL 1980

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DER SPIEGEL 41/1980 - 06. Oktober 1980 URL: http://www.spiegel.de/spiegel/...........................html Zeitgeschichte

Blaue Paste Ein Gutachten des Bundeskriminalamts belegt: Im "Tagebuch der Anne Frank" ist nachträglich redigiert worden. Die Echtheit des Dokuments wurde damit weiter in Zweifel gezogen. Otto Frank, jüdischer Kaufmann aus Frankfurt, floh 1933 mit seiner Familie vor den Nazis nach Amsterdam. Als die Deutschen Holland eroberten, gelang es den Emigranten, sich zu verbergen. Dann, 1944, transportierten Hitlers Helfer auch die Franks ins KZ. Nur der Vater überlebte. Das Tagebuch, in dem Tochter Anne die Jahre im Hinterhausversteck nachzeichnete und das nach dem Krieg veröffentlicht wurde, zählt seither zu den bewegenden Selbstzeugnissen von Opfern der Judenverfolgung. In Übersetzungen, im Theater und in der Filmversion wurde das "Tagebuch der Anne Frank" weltberühmt. Am Broadway sah sich der Kritiker des "New Yorker", wie Millionen mit ihm, "durch eine Talsperre von Tränen gerissen". Nicht verwunderlich deshalb, daß NS-Anhänger das Werk zu denunzieren versuchten. Der Hamburger Rentner Ernst Römer, 76, war in braunster Gesellschaft, als er die Ansicht verbreitete, das Tagebuch sei eine Fälschung. Und wie andere seiner Gesinnungsgenossen landete er dafür, von Otto Frank angezeigt, vor Gericht. Auch Römers erste Instanz verlief nicht anders als aus den früheren Fällen gewohnt. Stets hatten sich die Richter den Gutachtern angeschlossen, die - vor allem gestützt auf Handschriftenkunde und Stilvergleich - die Echtheit der Schriften bestätigten. Römers zweite Instanz jedoch wird den Schmähern neuen Stoff liefern. Um das Entstehungsdatum des Anne-Frank-Werks absichern zu lassen, hatte das Hamburger Landgericht das Bundeskriminalamt (BKA) eingeschaltet. Überraschendes Ergebnis: Ein Teil der ins Original geschriebenen Einfügungen, die bislang stets als schriftgleich mit dem übrigen Text galten, sind mit Kugelschreibpaste geschrieben, entstammen also der Zeit nach 1951 - Einführungsjahr des Kugelschreibers. Vor diesem Resultat betrachtet, würden frühere Schriftgutachten sogar den Schluß nahelegen, daß sämtliche Aufzeichnungen erst nach 1950 angefertigt wurden, mithin das "Tagebuch" insgesamt nicht authentisch ist. Die Hamburger Graphologin Minna Becker zum Beispiel bekundete 1960 anläßlich eines anderen Verleumdungsprozesses vor dem "übecker Landgericht die Einheit der gesamten Hinterlassenschaft: Die Schrift der Tagebuchaufzeichnungen in den drei festen Büchern - Tgb. I, II und III einschließlich aller Aufzeichnungen und Zusätze auf den eingeklebten Zetteln in Tgb. I sowie die Schrift auf den 338 Seiten der losen Seidenpapierblätter - LB - einschließlich aller auf diesen vorgenommenen Verbesserungen und Einfügungen ist mit der Handschrift der Anne Frank identisch. Wenn aber die Handschrift der ursprünglichen Notizen identisch wäre mit dem Schriftbild der Einfügungen, S.122 müßte ein Erfinder am Werk gewesen sein - was freilich nicht einmal die FrankFeinde vor Gericht behaupten mochten und was angesichts der strittigen Beweiskraft der Graphologie auch jetzt nicht ernsthaft zu behaupten ist. Die Stoßrichtung der NS-Propagandisten zielte meist über das Tagebuch der Anne Frank hinaus auf die Diskreditierung aller Aufklärungsarbeit gegen das Nazireich. Stets nahmen die Tagebuchgegner für sich in Anspruch, der "Wahrheit über die Judenverfolgungen" dienen oder, wie ein Flugblattverteiler im Römer-Prozeß, "dem Gaskammerschwindel" ein Ende setzen zu wollen.

Auch der englische Zeithistoriker David Irving bezeichnete Anne Franks Tagebuch als eine "Fälschung", die "aktenkundig" geworden sei. Der eigenwillige Irving, der schon mal die These vertrat, Hitler habe von KZ-Lagern nichts gewußt, war einem rechts verbreiteten Mißverständnis aufgesessen. Danach soll, so die oftmals zitierte Legende, einem New Yorker Drehbuchautor gerichtlich der Nachweis gelungen sein, Vater Otto Frank habe Filmzitate ins Tagebuch geschrieben; tatsächlich bewiesen war jedoch nur, daß er Teile eines ersten Drehbuchs zum Anne-Fran