Einführung in das Studium der Geschichte © 2003 Christian Rohr, Institut für Geschichte, Universität Salzburg / Pädagogi
356 20 214KB
Einführung in das Studium der Geschichte © 2003 Christian Rohr, Institut für Geschichte, Universität Salzburg / Pädagogische Akademie der Diözese Linz
Einführung in das Studium der Geschichte 1. Quellenkunde 1.1. Was ist eine Quelle? Definition nach Goetz, Proseminar Geschichte: Mittelalter, S. 62 f. OHF Als historische Quellen bezeichnen wir im weitesten Sinn alle Zeugnisse (Überlieferungen), die über geschichtliche (= vergangene) Abläufe, Zustände, Denk- und Verhaltensweisen informieren, d. h. letztlich über alles, was sich in der Vergangenheit ereignet hat, diese kennzeichnet, von Menschen gedacht, geschrieben oder geformt wurde. Dabei ist zu beachten: •
•
•
Diese Definition ist auch umkehrbar: jede Überlieferung, die etwas über die Vergangenheit aussagt, ist (potentielle) historische Quelle. Es gibt grundsätzlich nichts, das nicht Quelle werden könnte. Ob diese brauchbar ist und ob es sich um eine bessere oder schlechtere Überlieferung handelt, entscheidet sich erst von der jeweiligen konkreten Fragestellung her. Quellen sind nicht schon als solche geschaffen. Sie haben ursprünglich vielmehr ein von der Benutzung durch HistorikerInnen unabhängiges Eigenleben und einen Eigenwert. Sie wollen (fast immer) etwas Bestimmtes aussagen, aber nicht zwangsläufig das, was uns an ihnen interessiert. Zur „Quelle“ wird dieses Zeugnis erst unter den Händen der HistorikerInnen, die daraus Kenntnisse über die Vergangenheit gewinnen wollen. Der Begriff kennzeichnet also nicht das Zeugnis an sich, sondern dessen Funktion für die Geschichtswissenschaft.
Daraus ergeben sich zwei Folgerungen für die praktische Arbeit: • Bei der Benutzung einer Überlieferung als Quelle darf man niemals vergessen, dass sie ursprünglich (wahrscheinlich) ganz andere Absichten als die erfragten verfolgte, die für eine angemessene Auswertung entsprechend zu berücksichtigen sind. • Die Überlieferung selbst wiederum ist nicht die Vergangenheit, sondern sie gibt Zeugnis von ihr. Sie bedarf also der geschichtswissenschaftlichen Bearbeitung, um in diesem Sinne aussagekräftig zu werden: Die methodische Erschließung der Quellen ist Aufgabe der Geschichtswissenschaft. Es würde kaum zum Ziel führen, an dieser Stelle die verschiedenen Klassifizierungen von Quellenarten anzuführen. Alle gängigen Systeme haben einerseits ihre Berechtigung, andererseits nur unter einer einem bestimmten Blickwinkel – und alle Einteilungen müssen in bestimmten Bereichen unscharf werden. In unserem Zusammenhang interessieren die schriftlichen, die bildlichen und die gegenständlichen Quellen (im weitesten Sinn). Für die oben skizzierte Beurteilung und Einordnung einer schriftlichen Quelle sind zwei Faktoren m. E. unerlässlich: 1
Einführung in das Studium der Geschichte © 2003 Christian Rohr, Institut für Geschichte, Universität Salzburg / Pädagogische Akademie der Diözese Linz
• •
Die Frage nach der Intention des Autors, die meist nicht ausdrücklich im Text erwähnt wird, sondern anhand von Hinweisen erschlossen werden muss. Die gattungsspezifische Beurteilung, d. h. jeder schriftliche Quellentyp hat seine Eigenheiten, die als Richtlinie herangezogen werden müssen.
1.2. Schriftliche Quellen – Intentionsanalyse OHF
Sender
• • • • •
Nachricht Nachricht
Empfänger
Nachricht hat vier Seiten: Sachinhalt (Was wird objektiv/subjektiv ausgesagt?) Selbstoffenbarung über den Sender (Wie steht der Sender zum Inhalt? Was sagt er über sich selbst aus?) Beziehung Sender-Empfänger (Überordnung? Unterordnung? belehrend, sachlich, etc.) Appell an den Empfänger (Was soll der Empfänger an Informationen erhalten? Wie soll er sein weiteres Handeln darauf abstimmen?)
Beispiel: zwei Beschreibungen zur Begegnung mit Fremden • Vita Columbani des Ionas von Bobbio (um 639/642): Begegnung des Heiligen mit der christlich-heidnischen Mischbevölkerung in Bregenz, die gerade ein Bieropfer für den germanischen Gott Wodan darbringt. • Edw