Europa

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APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte

43/2007 ´ 22. Oktober 2007

Europa Andreas Maurer Verhandlungen zum Reformvertrag unter deutschem Vorsitz Alexander Warkotsch Die Nachbarschaftspolitik der EU im postsowjetischen Raum Johannes Varwick ´ Jana Windwehr Norwegen und Schweiz: Modelle fçr differenzierte Integration? Tom Thieme Extremistische Parteien im postkommunistischen Osteuropa Esra Sezer Das tçrkische Militår und der EU-Beitritt der Tçrkei Jeanne Lått ´ Asiye Úztçrk Zypern und die tçrkisch-europåischen Beziehungen

Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament

Editorial Der Weg ist das Ziel, so kænnte eine Antwort auf die Frage nach der Finalitåt Europas lauten; mit dem Weg ist die fortschreitende Integration gemeint. Wohin fçhrt dieser Prozess, und wo endet er? Auf diese Fragen antworten Politiker und Experten oft ausweichend; viele scheinen sogar ratlos zu sein. Die Ablehnung des EU-Verfassungsvertrages durch die Referenden in Frankreich und den Niederlanden hat gezeigt, dass die Bevælkerung Europas bisweilen andere Vorstellungen von der Integration Europas haben kann als die sie vertretenden Regierungen. Selbst die erfolgreiche Vermittlung durch die deutsche EU-Ratspråsidentschaft mit dem Ergebnis eines abgespeckten EU-Reformvertrages wird von einigen Regierungen wieder in Frage gestellt. In einigen Jahren dçrfte die EU çber 30 Mitgliedsstaaten umfassen. Bereits die Aufnahme des geteilten Zypern war ein politisches Kuriosum, weil die Ûbernahme und Anwendung des EURegelwerkes im tçrkischen Teil nicht gewåhrleistet ist. Kænnte die EFTA, kænnen Norwegen oder die Schweiz als Modellfålle fçr eine differenzierte Integration dienen, um die angestrebten Vollmitgliedschaften einiger ¹Problemfålleª zu umgehen? Einige ¹Problemfålleª stehen z. B. mit der Tçrkei, der Ukraine und einigen Balkanstaaten schon ante portas. Die Organisation wird dabei immer heterogener. Dies zeigt sich bereits heute an der Weigerung Groûbritanniens, Polens und Tschechiens, weitere Kompetenzen in auûenpolitischen und anderen Fragen an Brçssel abzutreten. Diese drei Lånder verlangen Sonderregelungen. Sollte diese Haltung Schule machen, kænnte sich die EU am Ende zur Freihandelszone zurçckentwickeln, was einigen Staatsund Regierungschefs wohl nicht unlieb wåre. Ludwig Watzal

Andreas Maurer

Die Verhandlungen zum Reformvertrag unter deutschem Vorsitz I

m ersten Halbjahr 2007 çbernahm Deutschland den EU-Ratsvorsitz in einer schwierigen Phase der europåischen Integrationsgeschichte. Nach den gescheiterten Referenden çber den europåischen Vertrag çber eine Verfassung fçr Europa (VVE), nach der langen und ergebnislosen Phase der (Selbst-) Reflexion der europåischen Eliten çber die zukçnftige Gestaltung der EU sowie der Kritik am ¹Elitenprojekt Andreas Maurer Europaª musste der Vorsitz Dr., geb. 1965; Leiter der deutsche davon ausgehen, dass Forschungsgruppe EU-Intedie Vorbehalte gegen gration, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Ludwig- die mit dem Verfaskirchplatz 3 ±4, 10719 Berlin. sungsvertrag geplanIntegrationswww.swp-berlin.org ten schritte, gegen die europåischen Organe und gegen ihre Politiken erheblich zugenommen haben. Gleichzeitig aber waren aus der Sicht vieler Mitgliedstaaten die Erwartungen an die deutsche Pråsidentschaft hoch. Insbesondere durch die Wiederbelebung der Verhandlungen çber den VVE sollte die Handlungsfåhigkeit der EU unter Beweis gestellt werden. EU-Pråsidentschaften haben kein Zepter in der Hand. Sie fçllen ein symbolisches Machtdispositiv im System des Ministerrates der EU auf Zeit und in den engen Grenzen aus, die ihnen die Vertråge der EG und EU gestatten. Sie erfçllen somit vertraglich vorgesehene Pflichten und Funktionen (Organisation und Koordination; Vermittlung; Impulsgebung und Steuerung sowie Repråsentation), 1 die

sich aus den laufenden Arbeiten aller EU-Organe sowie spezifischen Sprecher- und Vertretungsaufgaben im auûen- und sicherheitspolitischen Bereich ableiten. Jede Pråsidentschaft ist zudem mit einem umfassenden